Langsam reisen – die Kunst des Entdeckens

Reisebloggerin snowypalmtrees in Vieste, Italien © Johanna Prorok, 2017

In Zeiten von Instagram, Pinterest & Co und dem Trend des Losziehens werden unsere Bucket Lists immer länger, unsere Träume exotischer und unser Reisestil schnelllebiger. Es ist leicht, heute in Deutschland aufzuwachen, morgen in Thailand am Strand zu liegen und drei Tage später einen Berg in Neuseeland zu besteigen. Unsere Strategien, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu bereisen, sind ausgereift. Unsere Urlaube werden kürzer, aber die Stempel im Reisepass doch mehr. Was aber ist aus dem langsamen Reisen geworden? Bei dem wir uns Wochen oder gar monatelang in einem Land aufhalten, uns mit Einheimischen unterhalten statt Sehenswürdigkeiten hinterherzujagen?

Wenn wir wieder anfangen zu Entdecken

„Europa in zwei Wochen“, „10 Tage Bali“, „Wochenende in Rom“. Reiseanbieter überschlagen sich fast mit fantastischen Angeboten, bei denen wir ganze Kontinente in ein paar wenigen Tagen entdecken sollen. Aber rentiert sich dieser Eindruck wirklich? Schaffen wir eine Nordamerika-Rundreise in nur sieben Tagen? Was zählt beim Reisen wirklich? Möglichst viele Haken hinter möglichst vielen Hotspots? Oder doch lieber sieben Tage an nur einem Ort und diese dafür dann intensiv?
Es soll nicht gesagt sein, dass schnelles Reisen weniger attraktiv sei, jedoch vergessen wir auch die Option der langsamen Fortbewegung. Eine selbstverständliche Schlussfolgerung, nachdem unser Arbeitgeber uns lediglich ein paar Wochen freie Zeit im Jahr zur Verfügung stellt. Jedoch sollten wir uns trotzdem zumindest für ein paar Mal wirklich bewusst die Zeit nehmen und einen Ort, der uns am Herzen liegt, auch mit diesem zu erkunden. Wenn beispielsweise Kanada schon immer Dein großes Ziel, Dein Traum war, dann verdirbt Dir das Gefühl der Freiheit nicht, indem Du in ein paar Tagen durch die Gegend hetzt.
Beginne wieder zu Entdecken, lass Dich führen, aber nicht von Reiseführern, Navis, TripAdvisor & Co, sondern sei Dein eigener Guide. Finde Orte, für die zuvor noch keine 7000 Menschen eine mittelmäßige Bewertung abgegeben haben. Bewerte Orte mit Deinen eigenen Augen und lass Dich nicht von anderen hetzen.

Finde Deinen eigenen Weg

Wie oft überkommt uns schon ein komisches Gefühl, wenn wir uns vorab über Sehenswürdigkeiten erkundigen oder die Meinung anderer lesen? Aber Eindrücke sind subjektiv, hängen von der Laune der Natur und uns Menschen ab und sollten auf keinen Fall unser Reiseverhalten beeinflussen.
Beim langsamen Reisen wirst Du merken, dass Du neue Wege finden wirst, fernab der bereits ausgetretenen Touristenpfade, die meist mit Reisegruppen und Souvenirständen vollgestopft sind. Je langsamer und bewusster wir reisen, desto aufmerksamer werden wir für Essentielles. Wir bekommen ein Auge für die Kleinigkeiten, die uns umgeben und die ein Land erst zu dem machen, was es wirklich ist. Anstatt zu einem bereits bewerteten Restaurant zu laufen, fragen wir lieber den Verkäufer am Markt, wo er am liebsten seine Pizza isst und enden dort, wo oftmals keine Touristenseele je gegessen hat. Wir nehmen ein Land anders wahr, achten auf dessen Eigenschaften und fügen uns denen, anstatt uns von jedem Tour-Guide übers Ohr hauen zu lassen.
Nach vergangener Zeit wirst Du merken, dass sich zwar Deine Liste an berühmten Sehenswürdigkeiten drastisch verkürzt hat, Du aber stattdessen tausende Eindrücke und eigene Entdeckungen gemacht hast, die Du nicht mit ebenso vielen anderen Reisewütigen teilen musstest.

Möglichkeiten wieder mehr zu sehen

Langsam reisen kann vieles bedeuten. Die einen verzichten auf das Flugzeug, die anderen bleiben an einem Ort mindestens mehrere Wochen oder gar Monate. Wir brauchen aber nicht immer ein Sabbatjahr oder müssen gar zu Digitalen Nomaden werden, um langsam zu reisen. Eine bewusste Urlaubsplanung und die richtige Wahl des Fortbewegungsmittels reichen aus, um entschleunigend zu entdecken.
Wer ausreichend Muskelkraft aufbringen kann, wählt die tatsächlich langsamste Art zu reisen – zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Bei dieser Art hast Du wahrlich alle Zeit der Welt Deine Gegend zu erkunden. Besonders für sportliche Naturliebhaber eignet sich diese Art wunderbar.
Wer aber lieber motorisiert die Welt entdeckt, sollte sich lieber ein Mietauto gönnen, statt öffentlich von A nach B zu hetzten. Dabei bist Du flexibel genug, jederzeit Deine Route zu ändern, länger zu verweilen oder Dich an Orte verschlagen zu lassen, die gar nie am Plan gewesen wären. Auch hier kannst Du noch langsamer reisen, indem Du beispielsweise Autobahnen vermeidest.

Wer ganz und gar nicht ausreichend Zeit hat und es sich nicht vorstellen kann, monatelang in einer Stadt zu verweilen, sollte sich „Early Bird Sightseeing“ zu Herzen nehmen. Einfach mal richtig früh den Wecker stellen und noch vor Sonnenaufgang die Urlaubsdestination erkunden. Nichts ist schöner, als wenn man an sonst hektischen Orten völlig alleine steht, die Sonne langsam den Tag einläutet und die Magie einer Stadt wieder zu spüren ist, ohne gleich von einem Selfie-Stick erstochen zu werden.

Entschleunigung als Destination

Wer sich auf diese Art des Reisens einlässt, wird merken wie anders dieser Stil ist. Dass Gefühle für Länder sich verändern werden und wir uns nicht als Tourist, sondern als Reisender fühlen. Wir werden mit anderen Augen sehen, als durch die Linse unserer Kamera auf der Suche nach dem perfekten Insta-Shot, dafür aber mit Ruhe im Herzen und der einen oder anderen Erfahrung mehr in der Tasche. Und außerdem spart langsames Reisen viel mehr Geld – noch ein Grund mehr, die Bremse zu ziehen. 😉

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