Arbeitszeugnisse – Verschlüsselungstechniken der Personaler

Wir nehmen mit dir die Geheimcodes von Arbeitszeugnissen unter die Lupe!

Wer in seinem Leben schon ein paar Arbeitszeugnisse gelesen hat, wird feststellen, dass auf diesen nie tatsächlich negative Äußerungen über den Arbeitnehmer getätigt werden. Doch heißt das, dass wirklich jeder Mitarbeiter gute Arbeit geleistet hat? – Nein. Denn auch für mittelmäßige oder gar schlechte Arbeitsleistungen gibt es eine Art Codes, die sich zwar gut anhören, aber eigentlich etwas anderes meinen.
Damit Du dein eigenes Arbeitszeugnis oder Arbeitszeugnisse deiner Bewerber richtig deuten kannst, zeigen wir dir im Folgenden, was diese vermeintlich guten Aussagen tatsächlich bedeuten.

Das Notensystem

Auf Arbeitszeugnissen darf der Arbeitgeber keine Noten vergeben – im Gegensatz zu einem Schulzeugnis. Das heißt, der Arbeitgeber darf nicht schreiben, dass der Mitarbeiter sehr gute, gute, befriedigende, ausreichende, mangelhafte oder gar unbefriedigende Arbeit geleistet hat. Stattdessen erfolgt die Notengebung über die Abstufung positiver Beurteilungen. Die Noten lassen sich also aus bestimmten Satzteilen des Arbeitszeugnisses ableiten.

Note 1: „Sie führte alle Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit aus.“
oder „Sie hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in allerbester Weise entsprochen.“

Note 2: „Sie führte alle Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit aus.“
oder „Sie hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in bester Weise entsprochen.“

Note 3: „Sie führte alle Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit aus.“
oder „Sie hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen.“

Note 4: „Sie führte alle Aufgaben zu unserer Zufriedenheit aus.“

Note 5: „Sie führte alle Aufgaben im Allgemeinen/insgesamt/im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit aus.“ (Einschränkung)

Note 6: „Sie bemühte sich, die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen.“

Aus stilistischen Gründen kommen diese kleinen, doch so bedeutsamen Worte nicht in jedem Satz des Arbeitszeugnisses vor, auch wenn tatsächlich alle Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers ausgeführt wurden. Hier zählt der Gesamteindruck des Arbeitszeugnisses sowie ein einleitender oder abschließender Satz, der die allgemeine Leistung des Mitarbeiters zusammenfasst (siehe oben).
Also muss nicht gleich schlechte Arbeit vermutet werden, sobald diese Worte nicht in jedem Satz vorkommen. Wenn viele Superlative genutzt werden und sich das Arbeitszeugnis beinahe schon übertrieben anhört, dann hat der Arbeitnehmer wohl tatsächlich sehr gute Arbeit geleistet.

Negation

Für gewöhnlich hebt eine doppelte Verneinung sich im deutschen Sprachgebrauch auf, d.h. „nicht unfreundlich“ bedeutet beispielsweise „freundlich“. Kommen diese doppelten Verneinungen jedoch in einem Arbeitszeugnis vor, ist Vorsicht geboten. Schrieb ein ehemaliger Arbeitgeber in einem Arbeitszeugnis beispielsweise, dass die Arbeit des Arbeitnehmers „keinen Anlass zu Beanstandungen“ gab, so bedeutet dies, dass die Arbeit auch nicht lobenswert war.

Passivierung

Die Passivierung eines Satzes lässt auf fehlende Eigeninitiative des beurteilten Arbeitnehmers schließen. Der Satz „Aufgaben, die ihr übertragen wurden, erledigte sie ordentlich und zuverlässig“ bedeutet also, dass man der beurteilten Person immer ganz genau sagen musste, was sie tun soll, da sie keine Aufgaben aus eigener Initiative heraus erledigte.

Beredtes Schweigen – Die Leerstellentechnik

Verhielt sich ein Arbeitnehmer sowohl seinen Kollegen als auch seinen Vorgesetzten gegenüber vorbildlich, würde im Arbeitszeugnis auch das Verhalten beiden Personengruppen gegenüber Erwähnung finden. Wird jedoch eine der beiden Personengruppen ausgespart, hat sich der Mitarbeiter gegenüber der jeweiligen Gruppe vermutlich nicht vorbildlich verhalten.
Steht in einem Arbeitszeugnis also beispielsweise, dass „das Verhalten gegenüber Vorgesetzten“ einwandfrei war, so hat sich der Mitarbeiter gegenüber seinen Kollegen wohl eher weniger vorbildlich verhalten.
Dies gilt ebenso für die kleinen, bedeutsamen Worte, die wir bereits im Abschnitt über das Notensystem erwähnt haben. War der ehemalige Arbeitgeber mit den Leistungen des Arbeitnehmers „außerordentlich zufrieden“ und hat der Arbeitnehmer „herausragende“ Arbeitsergebnisse erzielt, dann ist das eine deutlich bessere Beurteilung als wenn der Arbeitgeber mit der Arbeit des Mitarbeiters nur „zufrieden“ war und die Arbeitsergebnisse „den Anforderungen entsprochen“ haben.

Ausweichen

Werden selbstverständliche Aspekte, wie z.B. Pünktlichkeit, besonders hervorgehoben, dann hat der Arbeitgeber für Rest der Leistung wohl eher weniger lobende Worte übrig.

Widersprüche

Treten im Arbeitszeugnis widersprüchliche Aussagen auf, so sollte das Arbeitszeugnis mit besonderer Vorsicht betrachtet werden.
Hat der Arbeitnehmer gute Arbeit geleistet, wird der Arbeitgeber am Ende des Zeugnisses beteuern, dass er dem Arbeitnehmer für seine gute Arbeit dankt und sein Ausscheiden aus dem Betrieb bedauert. Wird der Arbeitnehmer allerdings im Hauptteil des Arbeitszeugnisses gelobt, es findet sich allerdings kein Dank am Ende geschweige denn der Arbeitgeber bedauert, den Mitarbeiter zu verlieren, dann waren die Leistungen des Arbeitnehmers höchstwahrscheinlich doch nicht allzu gut.
Tauchen widersprüchliche Aussagen auf, kann dies darauf hindeuten, dass der Arbeitnehmer nach der Erstellung des Arbeitszeugnisses mit dem Arbeitgeber nachverhandelt hat, um ein besseres Zeugnis zu erhalten. Dabei wurden dann nicht alle Beurteilungen aufgewertet.

Fällt dir also auf, dass in deinem eigenen Arbeitszeugnis oder im Arbeitszeugnis eines Bewerbers eine oder mehrere der oben genannten Methoden genutzt wurden, solltest du das Arbeitszeugnis und gegebenenfalls den Bewerber noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Neben diesen Verschlüsselungstechniken gibt es noch weitere Geheimcodes, die sich zunächst gut anhören, aber eigentlich doch etwas schlechtes bedeuten. – Erfahre in unserem fortführenden Artikel mehr über die Verschlüsselungstechniken und Geheimcodes der Personaler.

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