Entwaldungsfreie Lieferketten: Was die neue EU-Verordnung (EUDR) für Unternehmen bedeutet

Ab Ende 2025 tritt eine neue EU-Verordnung in Kraft, die Lieferketten vieler Unternehmen grundlegend verändern wird: die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR, EU 2023/1115). Ziel ist es, sicherzustellen, dass bestimmte Rohstoffe und daraus hergestellte Produkte nur dann in der EU gehandelt werden dürfen, wenn sie nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen.

Betroffen sind die Rohstoffe Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Naturkautschuk und Holz – sowie zahlreiche verarbeitete Erzeugnisse, die unter bestimmte Zollcodes fallen.

Auch kleine und mittelständische Unternehmen sind von den neuen Anforderungen betroffen. Sie erhalten lediglich etwas mehr Zeit, ihre Prozesse anzupassen. Für viele Betriebe bedeutet die EUDR daher: Sie müssen ihre Lieferketten transparenter und nachprüfbarer gestalten als je zuvor.


Wann gilt die EUDR?

Die Anwendung der Verordnung wurde um ein Jahr verschoben:

  • Große und mittlere Unternehmen: ab 30. Dezember 2025
  • Kleine und Kleinstunternehmen (KMU): ab 30. Juni 2026

Damit bleibt etwas mehr Zeit, sich vorzubereiten – aber die Anforderungen bleiben hoch.


Die Kernpflichten im Überblick

1. Sorgfaltspflicht-Erklärung

Bevor ein Produkt in der EU in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt wird, müssen Unternehmen eine Due-Diligence-Erklärung im zentralen EU-Informationssystem (EUDR-IS) abgeben. Ohne diese Erklärung ist ein Handel nicht erlaubt.

2. Rückverfolgbarkeit bis zur Anbaufläche

Die EUDR verlangt eine lückenlose Rückverfolgung der Lieferkette bis zur Parzelle, auf der die Rohstoffe erzeugt wurden. Unternehmen müssen Geokoordinaten der Anbauflächen bereitstellen und dokumentieren, dass dort seit dem 31. Dezember 2020 keine Entwaldung stattgefunden hat.

3. Risikobewertung und Risikominderung

Unternehmen müssen Risiken in ihrer Lieferkette identifizieren, bewerten und dokumentieren. Dazu gehören politische Risiken, Mischrisiken (z. B. wenn Rohstoffe aus verschiedenen Regionen zusammengeführt werden) sowie mögliche Verstöße gegen nationale Gesetze im Herkunftsland. Falls das Risiko nicht als „gering“ eingestuft werden kann, müssen zusätzliche Nachweise eingeholt oder Audits durchgeführt werden.

4. Dokumentation und Aufbewahrung

Alle relevanten Informationen – von Geodaten über Zertifikate bis hin zu Risikoprüfungen – müssen sorgfältig dokumentiert und aufbewahrt werden. Behörden haben ein Einsichtsrecht, Zollbehörden prüfen an den Außengrenzen.


Länder-Risikoklassifizierung

Die EU wird eine Risikoeinstufung für Länder einführen: niedrig, normal oder hoch. Für Rohstoffe aus Ländern mit geringem Risiko gelten vereinfachte Pflichten und niedrigere Kontrollquoten. Für Hochrisikoländer werden dagegen strengere Prüfungen notwendig. Diese Einstufung wird entscheidend dafür sein, wie viel Aufwand Unternehmen in ihre Due-Diligence-Prozesse investieren müssen.


Sanktionen bei Verstößen

Die Durchsetzung übernimmt eine Kombination aus Marktüberwachungsbehörden und Zoll. Bei Verstößen drohen erhebliche Strafen:

  • Geldbußen von bis zu 4 % des EU-Jahresumsatzes
  • Beschlagnahmung von Waren oder Erlösen
  • Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren

Für Unternehmen, die ihre Hausaufgaben nicht machen, kann dies existenzbedrohend sein.


Auch KMU sind betroffen

Die EUDR gilt ausdrücklich auch für kleine und mittlere Betriebe. Zwar greifen für KMU erst ab Juni 2026 die Pflichten, doch die Anforderungen selbst unterscheiden sich nur in Details. KMU müssen ebenfalls ihre Lieferketten transparent machen und Due-Diligence-Erklärungen abgeben.

Die EU hat Leitfäden angekündigt, um KMU zu unterstützen und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Trotzdem bleibt die zentrale Herausforderung bestehen: Lieferantendaten müssen bis auf die Anbaufläche nachvollziehbar sein.


Was Unternehmen jetzt tun sollten

Für betroffene Unternehmen empfiehlt sich ein klar strukturierter Vorbereitungsplan:

  1. Betroffenheit prüfen
    Zunächst muss geklärt werden, ob die eigenen Produkte oder Vorprodukte unter die betroffenen Rohstoffe und Zollcodes fallen.
  2. Lieferkette kartieren
    Alle Lieferanten müssen identifiziert, vertraglich verpflichtet und nachprüfbare Informationen zur Herkunft der Rohstoffe liefern. Ohne Kooperationsbereitschaft der Lieferanten wird es schwierig, die Anforderungen zu erfüllen.
  3. Geodaten erfassen
    Unternehmen sollten frühzeitig beginnen, Geokoordinaten der Anbauflächen einzuholen und in ein internes System zu integrieren.
  4. Risikomanagement einführen
    Es braucht ein standardisiertes Verfahren zur Risikobewertung und -minderung, inklusive klarer Kriterien und dokumentierter Prüfungen.
  5. Verträge anpassen
    Lieferverträge sollten um Klauseln ergänzt werden, die die Einhaltung der EUDR-Anforderungen sichern, beispielsweise durch Datenbereitstellung, Audit-Rechte oder Haftungsregelungen.
  6. IT-Systeme vorbereiten
    Der Anschluss an das EU-Informationssystem EUDR-IS erfordert digitale Schnittstellen. Wer heute noch mit Excel-Tabellen arbeitet, sollte über modernere Lösungen nachdenken.
  7. Mitarbeiter schulen
    Einkauf, Logistik und Compliance müssen die neuen Regeln kennen und anwenden können. Ein internes Training ist daher unerlässlich.

Ein Beispiel aus der Praxis

Besonders für Branchen wie Schokolade, Kaffee oder Möbel wird die Verordnung einschneidende Veränderungen bringen. Ein mittelständischer Schokoladenhersteller, der Kakao aus verschiedenen Ländern bezieht, muss künftig nachweisen, von welchen Parzellen seine Bohnen stammen. Das bedeutet: Jeder Sack Kakao muss bis zur Anbaufläche rückverfolgbar sein – unabhängig davon, ob er von einer Großplantage oder einer Vielzahl kleiner Bauern stammt.


Fazit

Die EUDR wird den internationalen Handel mit Agrar- und Holzprodukten deutlich verändern. Für Unternehmen in der EU heißt das: Lieferketten werden transparenter, Dokumentationspflichten steigen, und die Rückverfolgbarkeit wird zum Standard.

Wer rechtzeitig mit der Vorbereitung beginnt, kann die EUDR nicht nur als Pflicht, sondern auch als Chance begreifen: Verbraucher und Geschäftspartner achten immer stärker auf nachhaltige Herkunft. Eine saubere Lieferkette ist künftig nicht nur ein Compliance-Thema, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil.

Weitere Informationen finden Sie direkt bei der Europäischen Kommission sowie beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

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