Der Traum von der Selbstständigkeit muss nicht immer mit einer eigenen Neugründung beginnen. Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden sich dafür, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen – und das sogar ohne eigenes Kapital. Doch wie funktioniert eine Unternehmensübernahme ohne Eigenkapital in der Praxis, welche Möglichkeiten gibt es und welche Risiken sollten Interessenten beachten?

In diesem Artikel erfährst du, welche Strategien es gibt, um eine Firma ohne Eigenkapital zu übernehmen, welche Finanzierungsmodelle in Deutschland üblich sind und welche Voraussetzungen du mitbringen solltest.


Warum eine Unternehmensübernahme?

Eine Unternehmensübernahme bringt gegenüber einer Neugründung einige Vorteile:

  • Etablierte Strukturen: Das Unternehmen verfügt bereits über Mitarbeiter, Kunden und Prozesse.
  • Bekannter Markenname: Statt mühsam einen Ruf aufzubauen, kannst du auf einer bestehenden Marke aufbauen.
  • Schnellere Umsatzgenerierung: Da Aufträge und Kundenbeziehungen bestehen, ist ein schnellerer Cashflow möglich.
  • Verhandlungsspielraum: Besonders bei Nachfolgeregelungen von Mittelständlern sind Verkäufer oft bereit, über flexible Kaufmodelle zu sprechen.

Gerade im deutschen Mittelstand stehen viele Firmen zur Übergabe bereit – Schätzungen zufolge suchen jährlich tausende Unternehmer eine Nachfolge.


Firma übernehmen ohne Eigenkapital: Welche Modelle gibt es?

Die wichtigste Frage lautet: Wie kann ich eine Firma kaufen, wenn ich kein eigenes Geld investieren kann? Hier kommen mehrere Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle ins Spiel.

1. Verkäuferdarlehen (Vendor Loan)

Der bisherige Eigentümer gewährt dir ein Darlehen, das den Kaufpreis teilweise oder komplett finanziert.

  • Vorteil: Kein Eigenkapital notwendig, da die Rückzahlung aus den Erträgen des Unternehmens erfolgt.
  • Nachteil: Der Verkäufer trägt ein hohes Risiko und verlangt oft persönliche Sicherheiten.

2. Earn-Out-Modelle

Ein Teil des Kaufpreises wird abhängig von den zukünftigen Gewinnen gezahlt.

  • Vorteil: Du kannst das Unternehmen aus dem laufenden Cashflow finanzieren.
  • Nachteil: Verkäufer müssen stark auf Vertrauen setzen.

3. Beteiligung von Investoren oder Business Angels

Externe Kapitalgeber steigen als Gesellschafter ein und finanzieren den Kauf.

  • Vorteil: Finanzierung ohne Eigenkapital, zusätzlich Know-how durch erfahrene Investoren.
  • Nachteil: Kontrollverlust, da Anteile abgegeben werden müssen.

4. Leveraged Buy-Out (LBO)

Die Übernahme wird über Fremdkapital (z. B. Bankkredite) finanziert, das mit den Vermögenswerten und zukünftigen Gewinnen der Firma abgesichert ist.

  • Vorteil: Klassische Methode, auch ohne eigenes Kapital realisierbar.
  • Nachteil: Banken stellen hohe Anforderungen an Businesspläne und Managementerfahrung.

5. Management-Buy-In oder Buy-Out

Das bestehende Management oder externe Führungskräfte übernehmen die Firma und finanzieren den Kauf durch Fremdkapital oder Investoren.


Voraussetzungen für eine Übernahme ohne Eigenkapital

Auch wenn du selbst kein Geld einbringen kannst, erwarten Banken, Investoren und Verkäufer bestimmte Qualifikationen:

  • Fachliche Kompetenz: Erfahrung in der Branche und Führungskompetenz sind entscheidend.
  • Solider Businessplan: Klare Strategien für Wachstum, Mitarbeiterführung und Finanzierung.
  • Verhandlungsgeschick: Überzeugende Argumente, um Verkäufer oder Investoren für dein Modell zu gewinnen.
  • Bonität und Zuverlässigkeit: Auch ohne Eigenkapital prüfen Banken deine Kreditwürdigkeit genau.

Chancen einer Übernahme ohne Eigenkapital

  • Niedrige Einstiegshürden: Unternehmerische Selbstständigkeit ist möglich, ohne eigenes Geld zu riskieren.
  • Erhalt von Arbeitsplätzen: Besonders im Mittelstand sichern Übernahmen den Fortbestand von Unternehmen.
  • Skalierungsmöglichkeiten: Mit kluger Finanzierung können auch größere Unternehmen übernommen werden.
  • Verhandlungsspielraum: Viele Verkäufer sind an einer langfristigen Sicherung ihrer Firma interessiert und offen für kreative Modelle.

Risiken und Stolperfallen

Trotz der Chancen ist Vorsicht geboten. Ohne Eigenkapital steigt das Risiko einer Überschuldung. Typische Probleme:

  • Hohe Verschuldung: Kredite müssen aus laufenden Einnahmen bedient werden.
  • Unklare Unternehmenslage: Versteckte Verbindlichkeiten oder veraltete Strukturen können zum Problem werden.
  • Abhängigkeit vom Verkäufer: Bei Earn-Out- oder Darlehensmodellen ist Vertrauen in den Altinhaber entscheidend.
  • Liquiditätsengpässe: Fehlt Eigenkapital als Puffer, können schon kleine Umsatzschwankungen kritisch sein.

Praktische Tipps für die erfolgreiche Übernahme

  1. Sorgfältige Due Diligence durchführen – prüfe Finanzen, Verträge, Kundenbeziehungen und Risiken genau.
  2. Beratung nutzen – Steuerberater, Anwälte und M&A-Experten sind unverzichtbar.
  3. Realistische Businesspläne erstellen – Banken und Investoren erwarten fundierte Zahlen.
  4. Verhandeln lernen – je flexibler du bist, desto höher die Chancen auf eine Einigung mit dem Verkäufer.
  5. Netzwerke nutzen – viele Übernahmen entstehen durch persönliche Kontakte und Branchenverbindungen.

Fazit: Selbstständigkeit ohne Eigenkapital ist möglich

Eine Firma übernehmen ohne Eigenkapital ist keine Utopie, sondern eine realistische Option – wenn du über das nötige Know-how, ein tragfähiges Konzept und Verhandlungsgeschick verfügst. Ob durch Verkäuferdarlehen, Earn-Out, Investoren oder Fremdfinanzierung: Der Schlüssel liegt darin, das Vertrauen von Kapitalgebern und Verkäufern zu gewinnen.

Wer sorgfältig plant, Risiken minimiert und ein Unternehmen mit Potenzial auswählt, kann auch ohne eigenes Geld erfolgreich in die Selbstständigkeit starten und von den Vorteilen einer bestehenden Firma profitieren.