In Belgrad brodelt es. Mitten im Herzen der serbischen Hauptstadt, auf einem Gelände, das einst Symbol militärischer Macht war, entsteht nun ein Symbol des Geldes. Das Parlament hat dem milliardenschweren Luxusprojekt von Jared Kushner, dem Schwiegersohn des US-Präsidenten Donald Trump, offiziell den Weg geebnet. Trotz massiver Proteste aus Opposition, Bevölkerung und Kulturkreisen.

Der Beschluss fiel in einer aufgeheizten Atmosphäre. Während Regierungsparteien das Projekt als „historische Chance“ feiern, sprechen Kritiker von einem „Ausverkauf nationaler Identität“. Denn das Areal, um das es geht, ist kein gewöhnliches Stück Land. Es handelt sich um das ehemalige Hauptquartier der jugoslawischen Volksarmee, ein architektonisches Monument, das bei den NATO-Bombardierungen 1999 schwer getroffen wurde. Für viele Serben ist es ein Ort des Gedenkens – und kein Platz für Luxuswohnungen, Boutiquen und ein Fünf-Sterne-Hotel.

Ein amerikanischer Traum in Belgrad

Jared Kushners Investmentfirma Affinity Global Development will hier ein Prestigeprojekt verwirklichen, das Belgrad in die Riege moderner Metropolen katapultieren soll. Geplant sind gläserne Hochhäuser, ein Luxushotel, Bürokomplexe, Einkaufsflächen und exklusive Apartments mit Blick auf die Save. Ein Projekt, das in seiner Dimension an die gigantischen Stadtentwicklungen in Dubai oder Miami erinnert.

Die serbische Regierung sieht darin ein Symbol für wirtschaftlichen Aufbruch. Präsident Aleksandar Vučić spricht von einem „Schaufenster in die Zukunft“, das ausländische Investoren anziehen und Serbien zu einem neuen Wirtschaftszentrum Südosteuropas machen soll. Doch hinter dieser Vision verbirgt sich ein Konflikt, der tief in die Gesellschaft reicht.

Der Preis der Modernisierung

Was die einen als Aufbruch sehen, betrachten andere als Verrat. Der Verkauf des militärhistorischen Geländes an ein US-Unternehmen wird von vielen Bürgern als Demütigung empfunden. Oppositionelle Politiker werfen der Regierung vor, nationale Interessen zu verkaufen und Denkmalschutzrechte ausgehebelt zu haben, um den Bau zu ermöglichen.

Noch im vergangenen Jahr stand das Areal unter Schutz. Dann entschied die Regierung kurzerhand, diesen Status aufzuheben. Damit war der Weg frei für das Megaprojekt. Juristen und Denkmalschützer warnen, dass diese Entscheidung gegen die serbische Verfassung verstoßen könnte. Doch die Mehrheit im Parlament winkte das Gesetz durch. Für die Opposition ein Beweis dafür, wie sehr Politik und Wirtschaft in Belgrad inzwischen verschmolzen sind.

Profit statt Geschichte

Das alte Armeehauptquartier war einst ein Symbol des jugoslawischen Selbstbewusstseins. Nun wird es zum Fundament eines Luxuskomplexes für internationale Investoren. Kritiker sagen, die Regierung habe den historischen Wert des Areals geopfert, um schnelles Geld zu machen.

Architekturhistoriker weisen darauf hin, dass die markante Struktur des Gebäudes – eine Ikone des Brutalismus – verloren gehen könnte. Für viele Belgrader ist das Projekt daher mehr als nur ein Bauvorhaben. Es ist ein Kampf um die Seele der Stadt.

Dem gegenüber stehen die Argumente der Befürworter: neue Arbeitsplätze, ausländisches Kapital, steigende Immobilienwerte. Laut offiziellen Schätzungen soll das Projekt über 1.000 neue Jobs schaffen und mehrere hundert Millionen Dollar an Investitionen ins Land bringen. Die Regierung sieht darin einen wichtigen Schritt, um Serbien wirtschaftlich unabhängiger zu machen und internationale Investoren anzulocken.

Machtspiele und Symbolpolitik

Jared Kushner, der als enger Vertrauter seines Schwiegervaters Donald Trump gilt, hat weltweit ein Netzwerk aus Politik und Wirtschaft aufgebaut. Sein Belgrad-Projekt ist das erste größere Bauvorhaben in Europa seit seiner Zeit als Berater im Weißen Haus. Es gilt als Testlauf, wie viel politische Schlagkraft sein Name noch besitzt.

Dass ausgerechnet er ein Grundstück bekommt, das im kollektiven Gedächtnis vieler Serben mit den NATO-Angriffen von 1999 verbunden ist, sorgt für Empörung. Einige sehen darin einen Affront gegenüber den Kriegsopfern. Andere wiederum glauben, Kushners Name helfe Serbien, auf die internationale Bühne zurückzukehren – als Partner westlicher Investoren statt als Außenseiter Europas.

Die Spaltung des Landes

Die Proteste gegen das Projekt reißen nicht ab. Vor dem Parlament versammelten sich in den letzten Wochen tausende Demonstranten. Plakate mit der Aufschrift „Belgrad ist keine Ware“ und „Unsere Geschichte ist nicht käuflich“ bestimmten das Bild. Besonders junge Aktivisten werfen der Regierung vor, Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg zu treffen.

Doch Regierungsvertreter zeigen sich unbeeindruckt. Sie betonen, dass das Projekt auf rechtlich einwandbarer Basis stehe und den „Willen des Fortschritts“ verkörpere. In den staatlich kontrollierten Medien wird das Projekt bereits als zukünftiges Wahrzeichen Serbiens dargestellt.

Die Opposition hingegen warnt, dass Belgrad in wenigen Jahren zu einer Stadt für Reiche werden könnte, während die breite Bevölkerung mit steigenden Lebenshaltungskosten und Wohnungspreisen kämpft.

Ein Land im Wandel

Unabhängig davon, auf welcher Seite man steht, eines ist klar: Serbien verändert sich. Die wirtschaftlichen Ambitionen der Regierung sind unübersehbar. Internationale Investoren werden hofiert, und Großprojekte wie das von Jared Kushner sollen den Wandel sichtbar machen.

Doch die Frage bleibt: Um welchen Preis? Wenn historische Identität, Denkmalschutz und gesellschaftlicher Zusammenhalt geopfert werden, um Investoren zufriedenzustellen, könnte Serbien einen Teil seiner kulturellen DNA verlieren.

Für Jared Kushner ist das Projekt eine Chance, sein Image als globaler Investor zu festigen. Für Serbien ist es eine Bewährungsprobe. Zwischen nationalem Stolz, wirtschaftlichem Ehrgeiz und politischer Realität entscheidet sich, ob das Land den Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft meistert – oder ob es daran zerbricht.