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Hammer Märkte insolvent: Alle Fakten zur Pleite, betroffenen Filialen und Zukunft der Einrichtungskette

Die Nachricht schlug im Sommer 2025 hohe Wellen: Die Hammer-Märkte, eine der bekanntesten deutschen Einrichtungsketten, sind insolvent. Nach über 45 Jahren Firmengeschichte steht die Marke vor einem tiefgreifenden Einschnitt. Betroffen ist nicht nur der Einzelhandel, sondern auch der Großhandelsbereich der Muttergesellschaft Brüder Schlau GmbH & Co. KG mit Sitz in Porta Westfalica. Die Entwicklung verdeutlicht einmal mehr, wie hart der Strukturwandel im stationären Handel mittlerweile zuschlägt – selbst bei etablierten Marken.


Ein Traditionsunternehmen im Wandel

Die Hammer-Märkte sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschen Handelslandschaft. Rund 180 Fachmärkte, dazu 60 Großhandelsstandorte unter der Marke Schlau, bilden das Rückgrat des Unternehmens. Insgesamt beschäftigte die Gruppe zuletzt knapp 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Konzept: eine Kombination aus Heimtextilien, Bodenbelägen, Farben, Tapeten und Wohnaccessoires – mit dem Versprechen, alles rund ums Einrichten aus einer Hand zu bieten.

Dieses Modell war lange erfolgreich. Doch in den vergangenen Jahren geriet die Gruppe zunehmend unter Druck. Steigende Energiekosten, hohe Mieten, Fachkräftemangel und die anhaltende Konsumzurückhaltung infolge der Inflation trafen den stationären Handel besonders stark. Parallel dazu wuchs der Wettbewerb durch Onlineanbieter wie Amazon, OTTO und Home24, die mit aggressiven Preisen und schneller Lieferung Marktanteile gewannen.


Der Insolvenzantrag: Eigenverwaltung statt Aufgabe

Im Juni 2025 stellte die Brüder-Schlau-Gruppe beim Amtsgericht Bielefeld einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Ziel dieser Variante ist es, das Unternehmen selbst zu restrukturieren – unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters. Die Geschäftsführung bleibt dabei handlungsfähig, wird aber von Insolvenzexperten begleitet. Für die Beschäftigten bedeutete das zunächst Entwarnung: Ihre Löhne wurden durch das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit bis Ende August 2025 abgesichert.

Die Gruppe betonte in ihrer Stellungnahme, man wolle den Geschäftsbetrieb „so lange wie möglich stabil halten“ und an einer „zukunftsfähigen Lösung für alle Beteiligten“ arbeiten. Auch laufende Kundenaufträge sollten erfüllt und die Märkte geöffnet bleiben. Dennoch war früh klar: Eine komplette Rettung würde nicht möglich sein.


Schließungen und Teilübernahmen: Ein radikaler Schnitt

Nach intensiven Verhandlungen mit Gläubigern, Investoren und Vermietern steht nun fest, dass 66 Hammer-Märkte bundesweit schließen müssen. Besonders betroffen sind Standorte in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. So verlieren unter anderem die Filialen in Münster, Lippstadt, Dorsten, Halle-Neustadt und Merseburg ihren Standort.

Auch die Großhandelssparte Schlau wird deutlich reduziert: Rund 50 der 60 Standorte sollen geschlossen oder verkauft werden. Damit verliert das Unternehmen einen wesentlichen Teil seines Handwerks-Netzwerks, das bisher Bodenleger, Maler und Raumausstatter mit Materialien belieferte.

Doch es gibt auch positive Nachrichten: Ein Investorenkonsortium namens ReThink Group hat angekündigt, etwa 93 Hammer-Märkte zu übernehmen und weiterzuführen. Damit bleiben rund 1.200 Arbeitsplätze erhalten – immerhin knapp ein Drittel der Belegschaft. ReThink plant, die überlebenden Standorte strategisch zu modernisieren und stärker digital mit dem Onlinehandel zu verknüpfen. Ob das gelingt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.


Ursachen: Warum die Hammer-Gruppe in Schieflage geriet

Die Insolvenz ist kein Einzelfall, sondern Symptom einer strukturellen Krise. Viele Faktoren kamen zusammen:

  1. Nachfrageeinbruch – Die Konsumlaune der Deutschen hat sich durch Inflation und hohe Lebenshaltungskosten stark eingetrübt. Produkte aus dem Bereich „Wohnen und Einrichten“ gehören zu den ersten, an denen Verbraucher sparen.
  2. Kostenexplosion – Energie, Logistik und Mieten stiegen massiv. Gleichzeitig waren Preiserhöhungen im Sortiment kaum durchsetzbar.
  3. Digitalisierungsdefizite – Während Wettbewerber ihre Online-Shops und Omnichannel-Strategien ausbauten, blieb Hammer lange auf den stationären Handel fokussiert.
  4. Filialnetz ohne Flexibilität – Viele Standorte befinden sich in Mittelstädten oder Randlagen, wo Frequenz und Umsatzraten rückläufig waren.
  5. Investitionsstau – Modernisierungen wurden verschoben, sodass manche Märkte optisch und konzeptionell hinter der Konkurrenz zurückblieben.

Diese Gemengelage machte es zunehmend schwer, profitabel zu arbeiten. Branchenexperten verweisen darauf, dass ähnliche Anbieter wie Poco oder Tedox frühzeitig auf aggressive Preisstrategien und Online-Vertrieb gesetzt hätten – ein Schritt, den Hammer zu spät ging.


Folgen für Mitarbeiter und Verbraucher

Für die knapp 3.900 Beschäftigten bedeutet die Insolvenz enorme Unsicherheit. Zwar werden rund 1.200 Arbeitsplätze durch die ReThink-Übernahme erhalten, doch über 2.500 Menschen verlieren voraussichtlich ihre Jobs. Besonders hart trifft es Verkäuferinnen und Handwerker, die seit Jahren im Unternehmen tätig sind. Viele der betroffenen Regionen – etwa in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg – bieten nur begrenzte Alternativen im Einzelhandel.

Für Verbraucher ist die Situation weniger dramatisch. Die Hammer-Märkte bleiben zunächst geöffnet, und laufende Bestellungen sollen abgewickelt werden. Schnäppchenjäger können allerdings auf Ausverkaufsaktionen hoffen – eine typische Begleiterscheinung solcher Restrukturierungen. Garantiefälle und Reklamationen sollen nach Angaben der Insolvenzverwaltung weiterhin bearbeitet werden, sofern der Markt nicht vollständig geschlossen ist.


Perspektive: Chance auf Neuanfang?

Die ReThink-Gruppe, die Teile des Unternehmens übernimmt, will den verbliebenen Hammer-Märkten ein neues Profil geben: moderner, digitaler, nachhaltiger. Der Fokus soll stärker auf vernetzten Vertriebskanälen und einem jungen, preissensiblen Publikum liegen. Ob dieses Konzept aufgeht, hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem vom Vertrauen der Kundschaft und einer klugen Preis- und Sortimentsstrategie.

Für die deutsche Einrichtungsbranche ist der Fall Hammer ein warnendes Beispiel. Er zeigt, dass selbst bekannte Marken mit solider Basis in Schieflage geraten können, wenn sie den Strukturwandel zu spät annehmen. Während Onlineanbieter wachsen, kämpfen klassische Fachmärkte mit hohen Fixkosten und sinkenden Margen.

Die Insolvenz markiert also nicht nur das Ende einer Ära, sondern auch den Beginn eines neuen Kapitels – für Hammer, für die Brüder-Schlau-Gruppe und für den gesamten stationären Einrichtungsmarkt in Deutschland.


Fazit:
Die Hammer-Insolvenz ist ein Paradebeispiel für die Herausforderungen im deutschen Einzelhandel. Zwischen Preisdruck, Digitalisierung und Konsumflaute zeigt sie, dass Traditionsunternehmen nicht automatisch überleben. Ob der Neustart unter neuer Führung gelingt, bleibt abzuwarten – doch er könnte zum Vorbild werden, wie sich klassische Fachmärkte in einem digitalen Zeitalter neu erfinden müssen.

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